1971 wurde das RKW 50 Jahre alt. Das Jubiläum wurde in der Bundeshauptstadt Bonn in Anwesenheit des Bundespräsidenten Gustav Heinemann gefeiert. Mit viel Elan, neuer Organisation und neuen Themen startete das RKW in die nächsten 50 Jahre.
Neue Satzung und neue Struktur
Zum 50. Geburtstag 1971 gab sich das RKW eine neue Satzung und straffte die Organisation. Laut Satzung sollte das RKW Sammelstelle für Rationalisierungswissen sein und Themen nur in Ausnahmefällen selbst bearbeiten. Das beachtliche Haushaltsvolumen von über 20 Millionen DM (aus Zuschüssen des Bundes, der Länder, aus Mitgliedsbeiträgen und Erlösen aus Veranstaltungen und dem Verkauf von Publikationen) ging zu großen Teilen an die sogenannten Rationalisierungsträger, die die Projekte bearbeiteten – und natürlich im RKW mitreden wollten. So war z. B. der Vorstand auf 75 Personen angewachsen. Die neue Satzung begrenzte ihn auf 18 Personen und schuf ergänzend ein Kuratorium, dem der Vereinsvorsitzende vorstand.
Statt vier hatte die Zentrale jetzt nur noch zwei Geschäftsführer, die Rationalisierungs-Gemeinschaften Bauwesen und Verpackung wurden eingegliedert und verloren ihre eigenen Geschäftsführer. Diese beiden RG und die Fachabteilungen Arbeits- und Sozialwirtschaft, Betriebswirtschaft und Technik hatten jeweils Fachbeiräte, die auch erstmals in der Satzung verankert wurden. Die Mitgliederbetreuung und der gesamte Beratungsdienst gingen in die Verantwortung der Landesgruppen über. So wurden über 30 Vollzeitstellen eingespart, etwa 275 Personen beschäftigte das RKW bundesweit, die seit einigen Jahren nach dem Tarif des öffentlichen Dienstes bezahlt wurden.
Die Bindung an das Bundeswirtschaftsministerium wurde enger: Seit Ende der 60er Jahre gab es dreijährige Arbeitsprogramme, die mit dem Ministerium verabredet wurden. Es wurden mehr Umsetzungsprojekte durchgeführt, beispielsweise eine Technologievermittlung- und Innovationsberatung. Ab 1975 wurden Meldungen aus den BMWi-Tagesnachrichten in die Zeitschrift übernommen.
Von der Ölkrise zur Nachhaltigkeit
Als die OPEC-Staaten im Oktober 1973 aus politischen Gründen die Erdölförderung um fünf Prozent drosselten und Lieferungen einstellten, stiegen die Preise pro Barrel Rohöl von drei auf bis zu 12 Dollar. Den Industrieländern wurde schlagartig ihre Abhängigkeit vom Rohstoff Erdöl bewusst, eine schwere Wirtschaftskrise war die Folge.
Die Krise kam just in der Zeit, als die Studie „Die Grenzen des Wachstums“, die der Club of Rome 1972 veröffentlicht hatte, in den Bestsellerlisten weit oben stand. Die Wissenschaftler am MIT erwarteten bis 2050 Nahrungsmittelknappheit, Erschöpfung der Rohstoffreserven und wachsende Umweltzerstörung, wenn das Wirtschaftswachstum so weitergehe. In der Bundesrepublik Deutschland setzte ein Bewusstseinswandel ein, der sich auch in der RKW-Arbeit niederschlug: Rationelle Energienutzung, rationeller Materialeinsatz und Umweltschutz stehen seitdem auf der Agenda des RKW. Unter dem Stichwort „Nachhaltigkeit“ bearbeiten die RKW-Gliederungen diese Themen auch in Zukunft.
Rationalisierung unter neuen Vorzeichen
Der neu gewählte RKW-Vorsitzende Erich Potthoff schrieb im Januar 1974:
Rationalisierung wird immer aktueller … wenn der Wettbewerb härter wird. … Modelle, Lösungen und Beispiele der Rationalisierung können gerade in dieser Situation unserer wirtschaftlichen Entwicklung dazu beitragen, praktische und realisierbare Ansätze zur Kostensenkung und zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit zu verdeutlichen.
Die Begründung Kostensenkung war neu, denn in den zwei Jahrzehnten zuvor war das Credo, Unternehmen müssten automatisieren, um dem Arbeitskräftemangel zu begegnen. 1965 hatte die Arbeitslosenquote 0,7 Prozent betragen, 1974 stieg sie auf 2,6 Prozent (destatis, früheres Bundesgebiet). Unternehmens- und Personalplanung, Kennzahlen und Controlling wurden wichtige Themen.
Kybernetik - eine neue Managementlehre?
Kybernetik als Wissenschaft von der Regelung und Informationsverarbeitung im Lebewesen und in der Maschine geht zurück auf Norbert Wiener. Er versprach, dass Kybernetik eine neue Einheitswissenschaft begründe, die Mensch, Wissenschaft und Gesellschaft für die Anforderungen des anbrechenden Computerzeitalters präparieren sollte. Das regte vielfältige Phantasien an (übrigens auch in der UdSSR und der DDR) und ebenso beim RKW, das seit Jahren Unternehmensplanung zu einem zentralen Thema gemacht hatte. Die Idee dahinter war einleuchtend: Wenn die „Kunst der Steuerung“ in der Technik und in sozialen Systemen mittels Rückkopplungen bzw. Kommunikation und Beobachtung komplexe Systeme steuern kann (bis hin zu Apollo-Raumflügen, so Max Syrbe in der Rationalisierung 3/1970:62), dann müsste das doch auf das komplexe System Unternehmen ebenfalls anwendbar sein. 1968 regte das RKW die Gründung der Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialkybernetik e. V. an, um beispielsweise die Anwendungsmöglichkeiten in der Wirtschaftspraxis zu untersuchen. Dummerweise lässt sich aber nicht jedes unternehmerische Problem in einem mathematischen Modell darstellen. War die Zeitschrift „Rationalisierung“ Anfang der 70er Jahre voll von Beiträgen zum Thema, so ebbte der Hype schnell wieder ab. Was blieb, war die Erkenntnis von Unsicherheit in wirtschaftlichen Systemen, die flexibles Reagieren erfordern - auch ohne mathematische Modelle. Heute, in einer Welt von Volatilität, Unsicherheit, Komplexität, Ambiguität gewinnt das Denken in Systemzusammenhängen neue Aktualität. Der 1968 gegründete Verein ist zumindest bis heute aktiv.
Intensivierung der Auslandskontakte
Die internationale Managementorganisation CIOS (Comité international de l'organisation scientifique) hatte das RKW 1926 mitgegründet, stellte viele Jahre den Präsidenten und richtete 1972 in München den Welt-Management-Kongress aus. Informelle Treffen auch zwischen Ost und West, bildeten die Board Room Meetings, zu denen mehrmals jährlich die meist hochrangigen Vertreter der internationalen Mitgliedsunternehmen zusammenkamen. Mit dem Zusammenwachsen Europas gab es andere Gelegenheiten zum Austausch, ging das produktive Miteinander verloren, und 2015 hat das RKW seine Mitarbeit beendet.
Dem Netzwerken und Erfahrungsaustausch auf europäischer Ebene diente die European Association of Productivity Centers EANPC, die Mitte der 1970er Jahre 17 Mitglieder hatte, darunter die Türkei und die osteuropäischen Länder Tschechoslowakei, Ungarn und Jugoslawien. Zeitweise stellt das RKW den Voristzenden und war das Sekretariat beim RKW angesiedelt. Enge Kontakte pflegte das RKW beispielsweise mit der polnischen Organisation TNOIK, die Führungskräfte weiterbildete.
Asien rückte stärker in den Blick: Mit verschiedenen japanischen Organisationen fanden regelmäßig Austausch und gegenseitige Besuche statt. Im Auftrag der Regierung vermittelte das RKW Management-Know-how über Trainingsprogramme in aufstrebenden Ländern wie Malaysia und Indien.
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