Die mittelständische Wirtschaft im wiedervereinigten Deutschland ist so vielfältig und verschieden wie die Landschaften und Städte. Selbst innerhalb derselben Branche können Anforderungen unterschiedlich sein, je nach Größe und Standort eines Unternehmens. Eine „Sammelstelle“ für Rationalisierungswissen, wie es das RKW seit 80 Jahren war, konnte diese Bedarfe nicht mehr befriedigen. Darum war es Zeit für eine gründliche Restrukturierung des RKW.
Neue Satzung öffnet neue Wege
Die Weichen für die Restrukturierung wurden mit einer neuen Satzung im Sommer 1998 gestellt. Am Zweck des Vereins – der Förderung und Verbreitung wissenschaftlicher Erkenntnisse über Rationalisierungs- und Innovationsmöglichkeiten für Wirtschaftsunternehmen – änderte sich nichts. Aber der Zusatz wurde gestrichen, dass das RKW nur in Ausnahmefällen entsprechende Arbeiten selbst durchführen sollte. Damit änderte sich die Arbeitsweise vor allem der Zentrale: Viele Jahre hatten die Beiräte und andere Vorschläge für Projekte eingebracht, die Fachabteilungen hatten dafür geeignete Arbeitsträger gesucht und beauftragt. Mit dem gleichem Personalstamm die Aufgaben jetzt selbst zu bearbeiten, verringerte die Zahl der gleichzeitig laufenden Projekte zunächst einmal erheblich. Sie bekamen aber mit der Zeit ein immer größeres Volumen und längere Laufzeiten, so dass die RKW-Mitarbeitenden ihre fachliche Expertise deutlich ausbauten.
Neu in den Paragraf 2 – Zweck des Vereins – wurde der Dialog mit den Sozialpartnern aufgenommen. Der hatte zwar seit der Wiedergründung stets stattgefunden, aber jetzt wurde er als Aufgabe des RKW verankert. Dieses war bedeutend, denn, da das RKW nun keine Mittelvergabestelle mehr für gewerkschaftliche Projektideen war, bestand die Gefahr, dass die Arbeitnehmerseite das Interesse am RKW verlieren könnte. Der konsensorientierte Austausch der Sozialpartner wird aber von allen Beteiligten als eines der Alleinstellungsmerkmale des RKW angesehen und wertgeschätzt.
Dritte Änderung war, dass sich die Landesgruppen verselbständigen konnten. Die rechtlichen Folgen und die Anforderungen an die selbständigen gemeinnützigen RKW-Vereine wurden detailliert festgelegt. Letztlich zog das RKW mit dieser Entwicklung die Konsequenzen aus einer schon Jahrzehnte anhaltenden Entwicklung: Die damals noch bundesweit rund 8.000 Mitglieder wurden vor Ort betreut und sahen in der Landesgruppe ihre Ansprechpartner. Die Landesgeschäftsführer, obwohl formal vom RKW-Verein angestellt, mussten sich an der jeweiligen Landes-Wirtschaftspolitik orientieren und gegenüber ihrem Landesvorstand Rechenschaft ablegen. Und schließlich ermöglichte diese Regelung das Auslagern des Beratungsgeschäfts in GmbH-Töchter der Landesvereine. Damit waren auch die Geldströme zwischen geförderter Bundesgeschäftsstelle des gemeinnützigen Vereins und dem Geschäftsbetrieb der Landesgruppen sauber getrennt. Bis 2000 hatten sich alle RKW-Landesgruppen verselbständigt. Den Zusammenhalt stellt die Geschäftsführerkonferenz sicher, die 2002 etabliert wurde bei einer erneuten Satzungsänderung zur Anpassung an die neue Struktur. Zudem sind die jeweiligen Vorsitzenden der Landes-Vereine Mitglieder des Gesamtvorstands.
Aus der Bundesgeschäftsstelle wurde das RKW Kompetenzzentrum, das nun als einziger Teil des RKW e. V. vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie institutionell gefördert wird. Das Netzwerk sichert die bundesweite Präsenz und den direkten Zugang zu den mittelständischen Unternehmen.
Handel und Dienstleistungen
Im Mittelstand hatte und hat das verarbeitende Gewerbe – die traditionelle Zielgruppe des RKW – eine starke Position, aber immer mehr drängten sich Fragen auf, die mittelständische Dienstleistungsunternehmen oder Produzenten mit ihrem Dienstleistungsangebot bewegten. Vor allem zur rasche Computerisierung des gesamten Geschäfts, zu E-Business und dem wachsenden Verkauf über das Internet suchten sie Antworten. Das RKW, zu dem in der Weimarer Zeit einmal die Forschungsstelle für den Handel in Berlin und die 1951 gegründete Rationalisierungs-Gemeinschaft des Handels (heute EHI Retail Institute GmbH) gehört hatte, suchte wieder den Kontakt dorthin und etablierte einen Fachbeirat Handel und Dienstleistungen. Er engagierte sich beim Aufbau des bis heute bestehenden Netzwerks Elektronischer Geschäftsverkehr und besonders für das Branchenzentrum ECC. Zusammen mit der Rationalisierungs-Gemeinschaft Bau bildete der Beirat Handel und Dienstleistungen für rund zehn Jahre einen Branchenschwerpunkt im RKW.
Neben dem Verkaufen über das Internet befasste sich der Bereich Handel auch mit innovativen Ideen für den Verkauf, beispielsweise den Einsatz von Tablets in der Beratung. Konkret ging es um Unterhaltungselektronik. Keine Fachkraft im Verkauf könnte alle technischen Details eines Geräts im Kopf haben, so die Ausgangsthese. Wären die Informationen auf einem Tablet abrufbar, ließe sich dennoch kompetent auf Kundenfragen antworten.
Später nahm der Branchenschwerpunkt die ältere Kundschaft in den Blick, die oft finanzkräftig ist und besondere Ansprüche stellt an Komfort und Service. Das gilt sowohl für das Bauen und Wohnen wie auch für Einkaufen und Reisen. Barrierefreiheit der Produkte, Services und der jeweiligen Räumlichkeiten sind dafür entscheidende Faktoren. "Design für alle" und "Wirtschaftsfaktor Alter" hießen die entsprechenden Vorhaben.
New Economy - und was danach kommt
Innovationen waren seit den 1980er Jahren zu einem „Zauberwort“ für die RKW-Unterstützung des Mittelstands geworden. Neue Unternehmen spielen dabei eine entscheidende Rolle, denn sie tragen zur Erneuerung der Wirtschaft bei und schaffen neue Arbeitsplätze. Daher unterstützte das RKW junge Unternehmen in der Nachgründungsphase. Um die Jahrtausendwende blähte sich gerade die „New Economy“ Blase kräftig auf und interessierte die Frage, was denn diese jungen Technologieunternehmen anders machten. Das RKW beteiligte sich an einem Forschungsprojekt mit einem Arbeitskreis „Die Arbeitsbeziehungen in schnell wachsenden Unternehmen“. Das „Experimentierfeld“ umfasste, was heute als typisch für Startups gilt: Hohe Flexibilität, individuelle Lösungen und geringe Akzeptanz üblicher sozialpartnerschaftlicher Modelle. Die Wachstumsstrategien der schnell wachsenden jungen Unternehmen untersuchte ein weiterer Arbeitskreis. Damit knüpfte das RKW an eine erfolgreiche Publikation der 1990er Jahre an, in der es um typische Wachstumsschwellen und die passenden organisatorischen Antworten darauf ging.
Die Blase platzte und viele der hochgejazzten Aktiengesellschaften am Neuen Markt verschwanden in der Versenkung. Realistischere Einschätzungen der Geschäftsmöglichkeiten im Internet griffen Platz – und beschäftigen das RKW weiterhin. Im Projekt „Wettbewerbsfähig in der Digitalisierung“ geht es genau darum: Strukturiert die Potenziale heben, die die Digitalisierung für das Geschäft birgt.
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